Theaterkritiken zu "Kleiner Mann - Was nun?" von Hans Fallada
Verfasst von Schülerinnen der Q 12 (Februar 2011)
Lämmchen und Pinneberg – eine Liebe mit Hindernissen
Am Freitag, den 11. Februar wurde Hans Falladas weltberühmter Roman „Kleiner Mann – was nun?“, der 1932 erschienen ist, im Feuchtwanger Kasten von der Württembergischen Landesbühne aufgeführt.
Bei der Bühnenfassung von Reiner Müller stellt sich zunächst die Frage, wie und ob man einen Roman überhaupt auf die Bühne bringen kann, ohne Wesentliches wegzulassen, und wie man einen mehr als 400 Seiten umfassenden Roman in nur zwei Stunden Theater auf die Bühne übertragen kann.
Zentrales Thema dieses weltberühmten Werks ist die Wirtschaftskrise von 1929 und welche Folgen das vor allem für die „kleinen“ Leute hatte. Im Mittelpunkt stehen der Angestellte Johannes Pinneberg, immer ordentlich im Anzug, und seine schwangere Frau Emma, genannt Lämmchen, die trotz vieler Schwierigkeiten zusammenhalten:
Zunächst verliert Pinneberg seine Arbeit in einer Düngefabrik, weil er die ungezogene Tochter des Chefs nicht heiraten will. Herr Kleinholz, Chef dieser Düngefabrik, wird gespielt von Stefan Wancura, der durch wilde Bewegungen und Gesten die Bedeutung von Herrn Kleinholz sehr ins Lächerliche zieht.
Schon kurze Zeit später erhält Pinneberg, trotz Konjunkturkrise und Arbeitsplatzabbau, eine Anstellung als Verkäufer im Warenhaus Mandel in Berlin. Alles scheint wieder gut zu sein, doch der Schein trügt. Starker Konkurrenzkampf, Missgunst, die eingeführte Verkaufsquote und der niedrige Lohn machen Pinneberg das Leben schwer. Zum Glück hat er sein Lämmchen. Die selbstbewusste und sympathische Frau an seiner Seite hilft ihm die Strapazen zu überwinden und schenkt ihm die Lust am Leben zurück.
Trotz all der Schwierigkeiten und dem eigentlich ernsten Thema – die Angst vor der Arbeitslosigkeit und dem Verlust des gesellschaftlichen Stands – gibt es doch viel zu lachen. Als beispielsweise Herr Kleinholz im Hintergrund in Badehose und Taucherbrille über die Bühne huscht oder die Bettszene (sehr clever gemacht), als Pinnebergs, schon im Bett liegend, auf einmal Besuch von Herrn Jachmann (Dietrich Schulz), dem Lebensgefährten der Frau Pinneberg senior (Susanne Weckerle), bekommen, der, schon etwas angetrunken, zu Lämmchen ins Bett steigen will. Auch die Chefin bei Mandel wird zur Witzfigur, denn sie wird von einem Mann (Matthias Zajgier) gespielt.
Mit der Geburt des Babys scheint das Liebesglück von Lämmchen und Pinneberg vollendet. Doch kaum ist der „Murkel“ da, passiert das, wovor Pinnebergs am meisten Angst hatten: Er wird gefeuert. Sie leben von nun an in einer Laube am Stadtrand von Berlin. Pinneberg ist verzweifelt und fühlt sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen, doch sein Lämmchen gibt ihm Halt und einen Sinn im Leben.
Diese Liebesbeziehung zwischen dem jungen Ehepaar wird sehr überzeugend von den beiden Schauspielern Jonas Pätzold und Nora Backhaus dargestellt. Die Harmonie und die Chemie zwischen ihnen stimmen, sodass es sehr leicht ist, ihnen die Gefühle abzukaufen.
Die Untermalung mit Live-Musik verlieh dem Stück einen filmischen Charakter. Mit der passenden Musik zur jeweiligen Situation erhielt das Stück einen großen Unterhaltungswert.
Eine gute schauspielerische Leistung kombiniert mit Live-Musik und der ein oder anderen lustigen Szene machten die Inszenierung vom Regisseur Tilo Esche also zu einem voll gelungenen Werk.
Auch die anfänglichen Zweifel, ob es überhaupt möglich sei den Inhalt des Romans originalgetreu auf die Bühne zu bringen, gehen im Laufe des Stücks verloren. Erzählende Passagen wurden teilweise von den Schauspielern übernommen und auch trotz mancher Weglassungen verliert das Stück nicht seine Kernaussage, nämlich, dass die Liebe zweier Menschen, die während der Weltwirtschaftskrise gemeinsam durch Hochs und Tiefs gehen, möglich ist und dass selbst, wenn man ganz unten angelangt ist, die gegenseitige Liebe einem Halt und Stärke geben kann.
Alles in allem ein empfehlenswertes Theaterstück, auch für Theatermuffel, denn wo hat man schon Kultur, Live-Musik und lustige Elemente in einem?
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Susanne Dutenhöfer
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Don`t worry, be happy now! - Gastauftritt der Württembergischen Landesbühne im Feuchtwanger Kasten
Mit diesem bekannten Lied von Bobby McFerrin eröffnete die Württembergische Landesbühne Esslingen ihre Theaterinszenierung des Romans von Hans Fallada „Kleiner Mann – was nun?“. Der Regisseur stellte dadurch die musikalische Begleitung des Stücks vor: verschiedene Gitarren, einen Kontrabass, ein Schlagzeug und ein Saxophon. Im späteren Verlauf konnte man zusätzlich noch ein Keyboard und eine Querflöte hören.
Doch natürlich wurde nicht nur mit Musik gearbeitet: Reiner Müller, der für die Dramaturgie zuständig und gleichzeitig der Verfasser dieser neuen Bühnenfassung von „Kleiner Mann – was nun?“ ist, band nicht nur die Passagen der direkten Rede aus Falladas Roman mit in das Stück ein, sondern verwendete auch andere Textstellen des Buches, um beispielsweise das Umfeld der Schauspieler zu beschreiben. So auch gleich zu Beginn, als Johannes Pinneberg auf seine Emma, genannt Lämmchen, wartet, und die beiden Hauptpersonen kurz danach erfahren, dass sie ein Kind erwarten. Nach der bald darauf folgenden Hochzeit zieht das junge Ehepaar in die kleine Stadt Ducherow, wo Pinneberg zunächst noch eine Stelle hat. Doch die werdenden Eltern sind ständig von Geldsorgen geplagt, da durch so einen kleinen „Murkel“ ja noch zusätzliche Kosten entstehen neben denen für Miete, Essen und Kleidung.
Als ihre schlimmste Befürchtung eintritt und Pinneberg arbeitslos wird, ziehen Lämmchen und ihr „Junge“ nach Berlin zu dessen Mutter. Jachmann, ihr Liebhaber, organisiert Johannes dann eine Stelle im Bekleidungsgeschäft Mandel. Doch als dort Verkaufsquoten eingeführt werden, verliert Pinneberg, der zuerst einer der besten Verkäufer war, abermals seine Stelle. Mittlerweile ist dann auch der Murkel geboren und die kleine Familie muss in eine Gartenlaube außerhalb von Berlin ziehen, wo Lämmchen Geld durch Strümpfe stopfen und Nähen verdient.
Beruflich so gescheitert bleibt der kleinen Familie nichts anderes übrig, als ihr Glück im privaten Leben zu suchen, sich also nach dem Motto des Anfangsliedes zu richten („Mach dir keine Sorgen, sei fröhlich!“) und sich auf ihre gegenseitige Liebe stützen, die ihnen immer wieder Kraft zum Durchhalten gibt.
Nora Backhaus und Jonas Pätzold, die das junge Paar spielen, stellen ihre Rollen sehr gut dar. Der Zuschauer erfährt Lämmchen als eine selbstbewusste junge Frau, die zwar vor allem am Anfang noch einige Probleme im Haushalt hat, aber sich nie aus der Bahn bringen lässt und dem etwas naiven Pinneberg immer Halt gibt. Auch Stefan Wancura, der die Rolle von Pinnebergs Chef in Ducherow übernimmt, überzeugt durch seine Spielweise, die zwar etwas übertrieben, aber gerade deshalb sehr lustig ist. Ebenso steht es mit Susanne Weckerle (im Stück: Pinnebergs Mutter Mia). Mias Liebhaber Jachmann ist dagegen weniger gelungen, weil er im Theaterstück nur als reicher Verehrer auftritt und nicht als der Mann aus Falladas Roman, der dort zumindest ab und zu Charakter zeigt.
Diese Inszenierung lässt viel Spielraum für die Phantasie des Publikums, da sich auf der Bühne nur wenige Möbelstücke und auch sonst fast keine Ausschmückungen befinden. Die Umgebung wird vielmehr durch Textzitate aus Falladas Roman gestaltet, zum Beispiel wenn Lämmchen und Pinneberg in ihren verschiedenen Wohnungen sind.
Eine Ausnahme stellt die besonders gelungene Szene dar, in der das junge Paar im Bett liegt. Das Bett ist aber nicht gewöhnlich, sondern steht senkrecht auf der Bühne, damit der Zuschauer Mimik und Gestik der beiden beobachten kann, während nacheinander zuerst Mia Pinneberg kommt, um die Miete für das Zimmer in ihrer Wohnung zu fordern, anschließend Jachmann das Zimmer betritt, um Johannes und Lämmchen das Geld aus eigener Tasche zuzustecken und dann wieder Pinnebergs Mutter auftaucht, die dann letztendlich doch noch ihr Geld bekommt.
Neben solchen für das Theater typischen gestalterischen Elementen werden aber auch noch Bestandteile, die für Filme kennzeichnend sind, eingesetzt, wie beispielsweise Szenen, in denen man nur Ausschnitte der Bühne und der Charaktere sieht (dabei wird der Rest mithilfe von Vorhängen verdeckt). Außerdem kann man an dieser Stelle eine Aufteilung der Bühne nennen, bei der links zum Beispiel Lämmchen zu Hause beim Lesen zu sehen ist und auf der rechten Bühnenhälfte Pinneberg, der gerade bei Mandel arbeitet. Ein weiteres Gestaltungsmittel, das eigentlich für Filme sehr typisch ist, ist eine Szene in Zeitlupe: Sehr gekonnt wird diese von den jungen Eltern dargestellt, als sie sich nach der Geburt ihres Kindes wiedersehen. Durch diesen besonderen Effekt wird die Freude der beiden hervorgehoben und verstärkt.
Doch die Württembergische Landesbühne weiß nicht nur mit Worten und Bildern zu arbeiten, sie setzt auch noch ganz gekonnt Musik ein, um die Szenen emotionaler zu machen: je nach Situation spielt die kleine Band unter der Leitung von Alexander Suckel fröhlich-bewegte Rhythmen oder langsame, traurige Melodien.
Für die Kostüme ist Jenny Schall verantwortlich.
Die Kleidung der Schauspieler deutet darauf hin, dass Reiner Müller (hier für Dramaturgie und Bühnenfassung zuständig) und der Regisseur Tilo Esche die Handlung in die Zeit der 20er oder 30er eingeordnet haben, also die Zeit, die auch Fallada für seinen Roman gewählt hat.
Daraus darf man allerdings nicht folgern, dass das Geschehen als unzeitgemäß beschrieben werden kann, da es auch heute zu Zeiten der Wirtschaftskrise noch aktuell ist: Ein junges Paar, das ein Kind erwartet, sich oft um Geld sorgt und sich gegenseitig Halt gibt, um das gemeinsame Leben zu meistern. Solch eine Situation ist wohl zu fast allen Zeiten denkbar und deshalb wird diese neue Inszenierung von Falladas „Kleiner Mann – was nun?“ durch die Württembergische Landesbühne wohl nicht die letzte gewesen sein.
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Maria Schwarz